Dienstag, 16. Juni 2015

Die Wunder der Vogelwelt

Die Vogelwarte in Sempach hatte sich Grosses vorgenommen: Ein neues Besucherzentrum, gebaut nach den modernsten ökologischen Baustandards, mit einer modernen, interaktiven Ausstellung. Das Fazit, kurz zusammengefasst: Es ist ihr gelungen.

An diesem Wochenende war eigentlich wieder mal schlechtes Wetter angesagt, so dass wir nach einer Indoor-Alternative suchten. Seit im Mai das Besucherzentrum von Bundesrätin Leuthard eröffnet wurde, wartete ich eigentlich insgeheim auf einen verregneten Sonntag. Nun schien es so weit zu sein.
Wir parkieren auf dem grossen Parkplatz vor dem Städtchen und schlendern dem Seeufer entlang. So können wir uns bereits einstimmen, denn Vögel gibt es auch hier überall zu beobachten. Viele Entenküken sind jetzt zu sehen, was natürlich Alt und Jung erfreut. Eine verwilderte Hausgans (sie lebt schon seit Jahren in der Gegend) versperrt den Spazierweg und spielt sich als Beschützer einer Stockentenmutter mit ihren Jungen auf. Sie faucht alle Passanten an, die dann entsprechend respektvoll einen Bogen um die Gruppe machen. Nach ungefähr einer halben Stunde erreichen wir das Zentrum. Es macht einen guten Eindruck. Aus Lehm und Holz gebaut, entspricht es den Standards Minergie P und Minergie Eco und gilt als bauökologische Pionierleistung. Und schon der Eingangsbereich ist grösser und freundlicher als die gesamte Ausstellung vorher.
An der Kasse erhälte man nebst dem Ticket einen Fingerring, man wird also "beringt". Dessen Zweck erschliesst sich uns dann später in der Ausstellung. Anscheinend wird mit grösserem Besucherandrang gerechnet, denn es gibt ein Ticketsystem, mit dem alle sechs Minuten eine gewisse Anzahl Personen eingelassen wird. Als wir dran sind, betreten wir durch ein Drehkreuz ein überdimensionales Ei. Ein kurzer Film fasst kurz zusammen, was uns in der Ausstellung erwartet und wozu der Ring ist. Kurz danach öffnet sich auf der anderen Eiseite eine Tür und wir betreten eine Art Nest. Wir sind nun also sozusagen geschlüpft. Folglich dreht sich in diesem Raum denn auch alles Rund ums Ei und ums Schlüpfen. An den Monitoren hat es Sensoren. Halten wir nun unseren Ring daran, gelangen wir in ein Menu, wo wir verschiedene Informationen zum spezifischen Thema abrufen können.




Ein Grössenvergleich der Eier von verschiedenen Vögeln zeigt beeindruckende Unterschiede auf. Zwischen den winzigen Eiern des Goldhähnchens und denjenigen eines Höckerschwanes ist ein riesiger Unterschied. An einem Karussell mit zwei Rondellen muss man die Eier dem passenden Vogel zuordnen. Hat man richtig getippt, leuchtet der Name auf. Daran finden auch Kinder gefallen, die noch nicht lesen können. Mit Unterstützung von Mami oder durch einfaches Ausprobieren werden sie auch Erfolg haben.
Nach dem Schlüpfen haben die Kleinen natürlich Hunger. Folglich durchschreiten wir einen Gang, wo uns aufgerissene Schnäbel entgegen leuchten. Wir erfahren, welche Vögel was fressen. Appetitlich sieht das nicht immer aus, aber immerhin ist es nobel angerichtet.

Vögel können nicht alles verdauen, so dass sie tierische Überreste als Speiballen oder Gewölle wieder auswürgen. Details erspare ich euch, ihr könnt das selber anschauen/nachlesen. Interessant ist aber noch das Verhalten des Tannenhähers: Er vergräbt im Herbst bis zu 100'000 Nüsse (!). Und findet davon 80 - 90 % wieder! Eine unglaubliche Gedächtnisleistung dieses Rabenvogels.
Beim nächsten Durchgang donnert und blitzt es. Gefahr! Und tatsächlich, Vögel sind mannigfaltigen Gefahren ausgesetzt, die vom Menschen ausgehen: Scheiben, Hochspannungsleitungen, Strassenverkehr, Katzen.

Weiter geht es zu den Lebensräumen und deren Bedrohungen. Diese sind allgemein bekannt, aber es wird zu wenig dagegen gemacht: Siedlungsdruck, Zerstörung von Gewässern, hochintensive Landwirtschaft. Da bleibt für unsere gefiederten Freunde immer weniger Platz. Dokumentiert wird das in verschiedenen Filmsequenzen.

Wie können Vögel aber überhaupt fliegen? Dies erfahren wir im nächsten Raum.
Die Feder ist ein Wunderwerk der Natur, worum sie Flugzeugingenieure beneiden. Ein Vogel ist, technisch gesprochen, Leichtbauweise in Vollendung. Schon jede Feder ist ein Kunstwerk für sich. Das Gefieder dient nebst dem Witterungsschutz und zum Fliegen auch zur Repräsentation, vor allem bei den Männchen. Da gibt es jene Vögel, wo Männchen und Weibchen in den prächtigsten Farben leuchten, wie zum Beispiel der Eisvogel oder der Bienenfresser. Dann gibt es jene Arten, wo das Männchen besonders farbenprächtig ist, während das Weibchen eher schlicht daher kommt. Das ist unter anderem bei den Enten der Fall oder den Rauhfusshühnern wie Birkhuhn oder Auerhuhn (resp. -hahn). Und dann gibt es jene, wo beide sehr dezente Farben und Muster tragen und sich dem Untergrund anpassen. Hast du schon mal ein Alpenschneehuhn im Sommer im Geröll entdeckt? Praktisch unmöglich, wenn es sich nicht akustisch äussert oder davonfliegt. Es verschmelzt quasi mit der Umgebung.
Die Farbenprächtigen
Die Unterschiedlichen
Die Getarnten
 Wie sieht aber ein Vogel ohne Federn aus? Oder wie viele Federn hat ein Eichelhäher? Auch diese Fragen werden beantwortet.
Im letzten Raum erfahren wir mehr zum Faszinosum Vogelzug. Wir lernen, was Standvögel sind, was Teilzieher und was Langstreckenzieher. Unglaublich, was die Tiere für Strecken zurücklegen! Das extremste Beispiel ist die Küstenseeschwalbe: Sie brütet in der Arktis und überwintert in der Antarktis. Das sind hin und zurück 80'000 Kilometer!


Am Schluss erwartet uns eine Überraschung. Nur soviel: Bei mir hatte es etwas mit einem Rebhuhn zu tun. Oder eher Rap-Huhn...
Nach dem Rundgang im Haus gehen wir nun auf jenen an der frischen Luft. Die Umgebung sieht schon noch etwas neu, sprich kahl aus, aber das wird schon. Verschiedene Bänke laden zum Rasten ein, Plattformen erlauben einen Blick in den grossen Teich und auf den Sempachersee. In einer Kiefer kann man eine Graureiherkolonie beobachten. Das ist mitunter eine ziemlich laute Angelegenheit.




Wer noch mag, kann nun drinnen einen 40-minütigen, schönen Film über die Schweizer Vogelwelt anschauen. Er läuft in einer Endloschlaufe, so dass man jederzeit in den Saal sitzen kann. Wartezeit gibt es bei der "Singfonie", einem lustigen, hm, Puppenspiel, das aber an die modernen Zeiten angepasst ist. Lass dich überraschen.
Nach so vielen Eindrücken spazieren wir wieder zurück dem See entlang und verlüften den Kopf.


Infos

Mehr Bilder auf Flickr.

Wenn der Tag mit dem Besuch nicht ausgefüllt ist, kann vorher noch die Sempacher Rundwanderung machen, eine schöne Tour zum Schlachtfeld der Schlacht bei Sempach hoch und über den Steinibühlweiher wieder zurück.

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