Dienstag, 30. September 2014

Einsam auf einer Modetour

Heute betätigten wir uns mal als „Bähnliwanderer“: Mit der Gondelbahn rauf auf La Berneuse, wandern, dann wieder mit der Gondelbahn zurück nach Leysin. Unser Ziel war der Gipfel der Tour d’Aï, der verdient werden muss, aber mit einer gigantischen Aussicht aufwartet.
Die gewaltigen Felswände der Tour d'Aï

Tags zuvor, einem Sonntag, konnten wir vom Lac de Mayen aus die Aufstiegsroute auf die Tour d’Aï studieren. Die Wanderer standen sich auf den Füssen rum, bei den Schlüsselstellen gab es Warteschlangen. Am Montag in der Talstation: Kein Mensch. In der Bergstation: Kein Mensch. Beim Verlassen derselbigen blendete uns das futuristische Drehrestaurant „Le Kuklos“ auf La Berneuse. Wir stiegen zum Lac d’Aï ab, allerdings nur langsam, weil die Jungs die Downhillstrecke für die Mountainbiker intensiv studierten und kommentierten. Wir waren notabene immer noch alleine unterwegs, nur ein paar Monteure bereiteten einen Sessellift auf die Wintersaison vor. Wir guckten fasziniert die gewaltigen senkrechten Wände der Tour d’Aï an. Überall glänzten Bohrhaken, allerdings waren die Schwierigkeiten jenseits unserer derzeitigen Form. Weiter rechts waren die Routen nicht mehr so hoch und nicht mehr so schwer. Wir setzten also wieder einen Punkt auf unsere Todo-Liste für diese Ferien. Am Ende dieses Felsbandes zeigte uns eine weiss-blaue Markierung den Einstieg in den Weg zur Tour d’Aï. Klettersteigähnlich mit Metalltritten und Drahtseilen ging es die ersten Dutzend Meter hoch. Wer hier schon Bammel hat, sollte besser wieder umkehren, denn gemütlicher wird es gegen oben nicht.
Der Lac d'Aï
Hier wollen wir klettern!
Vorgeschmack auf das, was noch kommt
Die Kinder waren wohl noch etwas müde vom Vortag, schon bald legten wir eine erste Pause ein. Wir genossen die Wärme und das Panorama, das natürlich noch einmal eindrücklicher war als tags zuvor. Der weitere Weg führte durch eine Wiese, die recht hoch stand, da hier keine Nutztiere weiden. Schritt um Schritt gewannen wir an Höhe, der Horizont öffnete sich immer mehr. Am Rande der Ebene konnten wir in die Wand schauen: Senkrecht bis überhängend bäumte sich der Fels auf.
Auch auf uns wartete nun eine Herausforderung. Diese begann mit einer kurzen Leiter, danach folgten links und rechts Felsen, allerdings auf der einen Seite in die Höhe, auf der anderen in die Tiefe. Der Jüngere ging vor mir, trittsicher wie immer. Mir war etwas mulmig zu Mute. Zwischendurch waren die Felsen nur noch untenrum, das heisst, sie fielen links und rechts fast senkrecht ab, der Weg war keinen Meter breit, das Geländer war über der Kopfhöhe des Jungen. Meine Nerven! Er hatte wohl die besseren, ungerührt ging er weiter und freute sich, dass er mal auf einen Steinadler blicken konnte, der unten an der Felswand vorbei zog. Schon komisch. Hundert Meter in einer senkrechten Wand zu klettern macht(e) mir nichts aus, bin ich ungesichert auf einem Weg und es geht auf der einen Seite deutlich abwärts, habe ich erhöhten Puls.








Endlich erreichten wir den Gipfel, ich konnte vorerst entspannen. Dieser war entgegen dem Aufstieg breit. Was für eine Aussicht! Und die beste Armee der Welt feierte uns mit Salutschüssen auf dem Waffenplatz, auf den wir blicken konnten. Aber dieses Panorama! Gigantisch! Uns zu Füssen glitzerte der Genfersee, im Dunst konnte man gerade noch knapp die Jurakette ausmachen, das zugebaute Mittelland frass sich wie ein Krebsgeschwür ins Grüne. Die felsige Gastlosenkette erhob sich senkrecht aus den grünen Alpweiden, weiter hinten waren Eiger, Mönch und Jungfrau auszumachen, ebenso das Aletschhorn, Obergabelhorn, die Dent Blanche, das Matterhorn, der Grand Combin, womit wir schon bei den Walliser Riesen wären. Fast alle diese Berge beschworen wieder Erinnerungen herauf, ich stand schon auf deren Gipfel oder war ihnen zumindest mal nahe.
Gigantische Aussicht
Die Dohlen interessieren sich nur fürs Futter


Die Alpendohlen, die uns umkreisten, interessierten sich nicht für die Berge, dafür umso mehr für das, was wir dabei hatten. Ein Australier erreichte nun auch noch den Gipfel. In Turnschuhen. Kurz darauf stiess auch noch eine junge Frau zum Kreis der Gipfelstürmer, vom Klettersteig her kamen eine Frau und ein Mann. Wir waren also nun zu acht, keine Vergleich zum Sonntag. Noch ganz überwältigt von der Aussicht, nahmen wir den Abstieg in Angriff. Vorsichtig gingen wir denselben Weg zurück. Ein Geocache in der Nähe der Leiter wollte sich uns nicht offenbaren. Nachdem wir die grössten Schwierigkeiten (eigentlich ist der Weg ja nicht schwierig, aber sehr ausgesetzt) hinter uns hatten, legten wir nochmals eine Pause ein. Der weitere Abstieg verlief problemlos. Wir hatten noch den Gegenanstieg zur Bergstation zu bewältigen, dann war die Tour gelaufen. In der Wand sahen wir zwei Personen im Klettersteig. Dieser interessierte uns nicht, wenn schon, dann die Sportkletterrouten. Wenn man nur mehr Zeit zum Trainieren hätte…



Eigentlich sind sowohl die Distanz als auch die Höhenmeter eher bescheiden, und trotzdem war es eine vollwertige Bergtour mit allem, was es für ein grandioses Bergerlebnis braucht.

Infos

Charakter: Eine kurze, aber anspruchsvolle Bergtour mit einer unglaublichen Aussicht. Nichts für Leute mit Höhenangst.
Schwierigkeit: T4
Distanz: 4.5 km
Höhenmeter: 570 m
Wanderzeit: 2:10 h
Familientauglichkeit: Beschränkt, die Kinder müssen sehr trittsicher und schwindelfrei sein.



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